28. Januar 1945: Im Tiefflug über Weibern
Mit freundlicher Genehmigung von Hans Schmitz (1933 - 2021)
Lediglich die Älteren unter uns, und zwar die etwa über 80-Jährigen, können sich an jene tragische Tage im letzten Kriegsjahr erinnern, als die alliierten Luftangriffe immer mehr zu täglich gewohnten Ereignissen wurden. Ab Sommer 1944 war man bei Arbeiten auf dem Felde nicht mehr sicher vor dem Kugelhagel der Bordwaffen der im Tiefflug angreifenden Jagdbomber.
Die Gefahr, die von den schweren feindlichen Bomberverbänden, die bei Tag und Nacht unsere engere Heimat überflogen, ausging, hatte man im ländlichen Raum zunächst unterschätzt. Man war der der Ansicht, dass deren Angriffsziel die größeren Städte mit deren großen Fabriken sei. Insgeheim wurde zwar befürchtet, dass die mit der näher rückenden Westfront in Verbindung stehenden Funkstationen in Engeln und Schalkenbach Angriffsziele werden könnten. Wie sehr diese Befürchtungen berechtigt waren, wurde am 6. Januar 1945 deutlich, als die Nachbartorte Kempenich und Engeln einen Bombenhagel erlebten, dem nicht nur viele Häuser zum Opfer
fielen, sondern bei dem mehr als 30 Menschen aus dem Leben gerissen wurden. Einen ähnlich schwerem Bombenangriff erlebte Schalkenbach-Vinxt Anfang März 1945 nur wenige Tage vor dem Einzug der Amerikaner.
Man wurde sich erst spät bewusst, dass die Gefahr auf dem Lande größer war als in der Großstadt, wo durch Fliegeralarm rechtzeitig die drohende Gefahr angekündigt wurde und bombensichere Luftschutzeinrichtungen vorhanden waren.
Viermotoriger Bomber im Tiefflug über Weibern
Der 28. Januar 1945, ein Sonntag, wäre für Weibern beinahe zu einem tragischen Schicksalstag geworden. Es lag wieder das bereits oft gehörte Geräusch der dumpf dröhnenden Motoren von schweren Bomberverbänden in der Luft. Manfred Dahm erinnert sich, wie gegen Mittag plötzlich ein außergewöhnlich donnerndes Getöse über den Ort hereinbrach, dass mit einer lauten Detonation endete und die Bewohner in Angst und unheimliche Schrecken versetzte. Die Ursache war ein abstürzender viermotoriger Bomber, der aus Richtung Hommersberg im Tiefflug quer über die Bahnhofsstraße flog und am Riedener Berg, oberhalb der heutigen Waldstraße/Buchenweg, im Flurstück „In der Lei“ zerschellte. Infolge des Absturzes gerieten die Treibstofftanks in Brand und explodierten. Der vordere Teil der Maschine zerschellte bei den heftigen Explosionen. Auch die Bordwaffenmunition detonierte durch die Hitze nach und nach. So konnte die Absturzstelle längere Zeit nicht betreten werden. Da der Hang an der Absturzstelle nicht ganz so steil war, ist der Absturz mit einer Bruchlandung zu vergleichen, wobei der hintere Teil der Maschine fast völlig ganz blieb, wie es von anderen Absturzstellen der Umgebung kaum bekannt ist.
Dieses sensationelle Ereignis sprach sich auch in den Nachbarorten rund. So packte mich, den damals 12-jährigen Jungen aus Brenk sowie meine Kameraden die Neugier, bald die Absturzstelle zu besichtigen. Unzählige Wrackteile des vorderen Teils der Unglücksmaschine lagen über den Hang verstreut. Dass es sich um ein 4-motoriges Flugzeug handelte, war klar zu erkennen, denn die Motoren mit den Propellern waren nicht zu übersehen. Für Hobbybastler war hier eine wahre Fundgrube für Metallteile und hochwertige technische Geräte. Natürlich sind wir auch in den noch intakten hinteren Rumpfteil des Bombers hineingeklettert. Durch das kleine Heckfenster, das aus sehr dickem Sicherheitsglas bestand, hatte man einen einmaligen Blick über Weibern.
Ein Bordmaschinengewehr das hier unmittelbar nach dem Absturz noch vorhanden gewesen sein soll, war inzwischen verschwunden. An der Innenwand des Rumpfes gingen flexible Drahtseile vorbei, die zum hinteren Steuerruder führten. Wir hatten unsere Freude daran, durch Ziehen an diesen Seilen, das mehrere Meter hohe Steuerruder (Seitenleitwerk) zu bewegen.
Beim Absturz des Bombers sind keine Menschen zu Schaden gekommen. Gemäß den Recherchen beim Bundesarchiv ist ein Teil der Besatzung von neun Leuten auf dem vorderen Westerwald oberhalb von Bad Hönningen mit dem Fallschirm abgesprungen,
Laut Berichterstattung auf der Homepage der 457th Bomb Group (https://457thbombgroupassoc.org) sind alle Mann der Besatzung unverletzt aus dem Flugzeug s/n (serial number/Seriennummer) 42 97164, einer B 17 (Flying Fortress) mit dem Nicknamen "Rebel Queen", abgesprungen. Dieser Feststellung basiert auf den Aussagen der Besatzungsmitglieder die gefangen genommen wurden.
Die Maschine gehörte der 457th Bomb Group an, die mit anderen Bombern zu einem Bombenziel in Köln beauftragt war. Es war der 66. Einsatz der "Rebel Queen" und der 26. Einsatz der Crew um Lt Boyes. Die B 17 hatte einen Flaktreffer im Cockpit abbekommen weshalb der Rückflug in Richtung Süden fortgesetzt wurde, um Flakstellungen zu umfliegen. Nachdem die Triebwerke eines nach dem anderen ausgefallen waren, hat die Besatzung die Maschine nach und nach verlassen und keiner der Mannschaft ist in der Luft verletzt worden. Die Maschine wurde vom Piloten Lt Boyes erst kurz bevor sie am Riedener Berg von der Erde wieder aufgenommen wurde, verlassen. Nur Bruchteile von Sekunden haben entschieden, dass Weibern vor einer schrecklichen Tragödie bewahrt blieb.
Später stellte sich heraus, dass der Copilot Lt Felgenhauer und der Bombenschütze Lt Turner nach dem Absturz ums Leben gekommen sind. Im Laufe der Zeit wurden die an der Unglückstelle verbliebenen Überreste immer weniger, denn in dem herrenlosen teils hochwertigen Material sahen die Altmaterialhändler eine lukrative Einnahmequelle. Heute ist die ehemalige Absturzstelle mit hohen Fichten bewachsen und nur von Ortskundigen zu identifizieren. An der Absturzstelle wurde inzwischen ein Gedenkstein errichtet.
Hans Schmitz, Januar 2006 mit Ergänzungen der Heimatfreunde Weibern 2021 und 2024